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DDR-CDU bespitzelte Kirche

Kundschafter an der geistlichen Front? Die Rolle der CDU-Ost gegenüber den Kirchen.

Neue Zeit 1993

-Christian Booß


"Festzustellen ist die Tatsache, daß zunehmend die Erlöserkirche zum Zentrum des Jugendarbeit unterschiedlichster Friedensgruppen der Kirche genutzt wird,(um) ein in der DDR bekanntes Informations- und Versammlungszentrum aufzubauen."


Dieser Bericht aus dem Sommer 1983 ist weder ein internes Protokoll eines Ostberliner Gemeindenrates, noch der Spitzelbericht eines Zuträgers des MFS über oppositionelle Kirchenkreise. Es ist ein Schriftsatz des CDU-Kreissekretärs aus Berlin-Friedrichshain. Er ist war bestimmt für die DDR-Parteizentrale in Berlin. Stimmungs- und Lageberichte von der Basis zu fertigen, gehörte zu den ureigensten Aufgaben einer Partei in der DDR.

 

Fragwürdigerweise tauchen in diesem Bericht sogar 2 Namen auf: die der oppositionellen Pfarrer Rainer Eppelmann und Dietmar Linke. Zweifelsohne wurden diese Berichte keineswegs mit der Absicht verfaßt, systemferne Kirchenkreise gegenüber der damaligen systemnahen CDU-Parteispitze um Gerald Götting in Schutz zu nehmen. Denn es folgt die Klage "daß unsere Partei sich nicht offensiv mit der Entwicklung der Friedens- und Jugendarbeit der Kirchen auseinandersetzt."


Polemiker haben es immer schon gewußt, die CDU-Ost war nichts anderes als die SED, Abteilung Kirche. Andere Analytiker wollten der CDU zumindest in der Endphase der DDR zubilligen, sie versuche, die Zielgruppe Christen als "eigenständige Kraft vorzustellen, die ihre Freiräume nutzt".

Eine Durchsicht von Parteiakten der unteren Parteiinstanzen läßt Zweifel zu, ob es diese Tendenz zur Liberalisierung der DDR-CDU gab, die quasi naturwüchsig in die "Partei der Einheit" mündete.

Die Funktion der DDR-CDU war, nachdem sie in den 50er Jahren durch Druck des SMAD, Verhaftungen von Funktionären, Parteisäuberungen und Auswechselungen der Parteispitze in die Blockpolitik eingebunden war, bestimmte Bevölkerungskreise zu binden und zu beeinflussen, die die SED selber nicht erreichen konnte oder wollte: Mittelschichten, bestimmte Teile der Intelligenz, vor allem aber kirchliche Kreise.

 

In Gruppen- oder gar in Einzelgesprächen wurden diese Schichten von CDU-Funktionären, aber auch einfachen Mitgliedern regelrecht ausgespäht. Seit Ende der 50er- regelmäßig offenbar nach dem Mauerbau- werden in den CDU-Kreisen "Informationsberichte" für die Bezirksebene und den Parteivorstand in Berlin verfaßt. Unter Nennung von Namen, oft sogar der Adresse, wird Ende der fünfziger Jahren nach Berlin gemeldet, welcher Handwerker, was über Regierungsentscheidungen denkt.

Dies sind keine fauxpas Einzelner aus stalinistischen Zeiten. Die Berichte gingen bis zum Ende der DDR weiterhin monatlich an die Bezirksebene, vierteljährlich an die Berliner Zentrale. In späteren Jahren werden die Berichte über die Stimmung intellektueller und mittelständischer Kreise nur etwas abstrakter, eben Stimmungsberichte im eigentlichen Sinne. Dennoch werden personenbezogene Meinungsäußerungen werden weiter kolportiert, v.a. über CDU-Mitglieder ("Unionsfreunde") selbst, was zweifelsohne der systemkonformen parteiinternen Kaderplanung dienlich sein sollte. Durchgängig im Visier der CDU-Kreise blieben die Geistlichen und das bei voller Identifizierbarkeit..

Noch 1987 heißt es unter Namensnennung z.B. in einem Kreisbericht, daß 3 "Pastoren ihre Bereitschaft zur Mitarbeit" in der Arbeitsgruppe Christliche Kreise erklärt hätten. Dagegen wird bedauert, daß von dem Kirchenkonvent Neubuckow kein Pastor zur Mitarbeit bereit sei. Da die AG "Christliche Kreise" als eine Einrichtung der nationalen Front und somit des Blocksysstems unter Führung der SED für kirchliche Kreise war, konnte aus solcher Kreisinformation abgelesen werden, welcher Pfarrer zur Zusammenarbeit, zumindest zum geistigen Austausch mit Vertretern des DDR-Systems bereit war- und damit welche nicht. Deutlich wird auch, dass es die örtliche CDU als ihre Aufgabe ansah, die Pfarrer auf die Seite von Staat und Partei zu ziehen. Unterzeichnet ist dieser Bericht von einem prominenten ehrenamtlichen Kreisvorsitzenden, Dr.G. Krause, dem späteren Mitarchitekten des Einigungsvertrages und gestrauchelten Bundesverkehrsminister.

Vor allem vor Wahlen und Volksabstimmungen verdichteten sich die Angaben:

"Es gibt eine Information, daß der Sohn von Pfarrer (folgt der Name) aus Friedrichshain nicht zur Wahl gehen will. Er ist Oberschüler und sagt, er mache es wie sein Vater:" (Berlin,1963) "Wir gehen davon aus, daß es möglich ist, eine Einheitsfront gegen unsere Volkswahlen zu zerschlagen. Dazu sind zahlreiche Einzelgespräche mit Pfarrern nötig, insbesondere mit den schwankenden."(dito)

Gleichsam als Erfolgsmeldung wird aus vielen Kreisen und Bezirksverbänden -teilweise in Listenform-nach oben gemeldet, wie viele Pfarrer nun tatsächlich falten gingen und welche "nicht gewählt haben".

Als Zuträger fungierten v.a. die hauptamtlichen Sekretäre der CDU, aber auch die nicht hauptamtlichen Vorstände an der Basis: "Im Vorfeld der Kommunalwahlen nahmen nahezu alle Ortsgruppenvorstände und der Kreisvorstand aktiven Einfluß auf die differenzierte politische Arbeit in christlichen Kreisen." (Wolgast 1984)

Sicher spiegeln sich die quasi "goldenen 70er Jahre der DDR" , als sich viele DDR-Bürger im Zeichen der Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik in ihrer DDR-Nische einrichteten auch in einer relativen Entpolitisierung der CDU-Informationsberichte. Die Beiträge des Unionsfreundes X zum Neuererwesen, Berichte über erfolgreiche Handarbeitskreise, Überlegungen für einen CDU- nahen Motorsportclub zeugen von dieser Scheinidylle.

 

Doch es wäre falsch anzunehmen, dass ich nach dem Spitzentreffen Honeckers mit der evangelischen Kirchenführung am 6.3.1978- zweilfelsohne eines der wichtigsten Daten in der Beziehung Staat-Kirche- hätte sich das Verhältnis SED-Kirche grundsätzlich entkrampft. In diesem Fall hätte auch die CDU eine andere Rolle spielen können. Möglicherweise hätte sie sei dann wirklich einer "Volkspartei" näher gekommen als jede andere Blockpartei (Lapp 1988). Aber die Wirklichkeit ist eine andere.

Es gibt zwar durchausHinweise auf lebhaft kontroverse Diskussionen in einzelnen Ortsgruppe an der Parteibasis. Doch der Parteiapparat auch auf der untersten Ebene griff, wenn es darauf ankam auf die alten Auskunfts- und Beeinflussungstechniken zurück.

Als die kirchliche Friedensbewegung den Staat herausforderte, werden die Berichte wieder präziser, fast wie Protokolle. "Unter der Leitung von Pfarrer Eppelmann" gäbe es, Überlegungen zu einem Fahrradkorso. Also eine Friedensdemonstration, die es nach Lesart der SED zu verhindern galt. (CDU-Friedrichshain 1983) Oder weiter: Die Predigt von Bischof Gottfried Forck reihte sich "leider in die Pazifismusbewegung von Teilen der ev. Kirche ein." (CDU-Berlin-Mitte); die kirchlichen Aktivitäten im Kreis halten sich "an die festgelegten Normen der Staats- und Rechtsordnung", " bis auf eine Ausnahme von Pfr. (folgt Klarname) in Forst-Noßdorf. (CDU-Forst 1984) Der letzte Bericht war mitgerzeichnet u.a. vom Kreisvorsitzenden Dr. Pohl. 1989 wurde er Wirtschaftsminister unter Lothar De Maiziere und war der zuständige Minister für die Wirtschafts-und Währungsunion)

 

Das Ordnungsdenken vieler CDU-Funktionäre auf den unteren Rängen paßte sich offenbar gut in das Herrschaftsgefüge des SED-Staates ein. Zu untersuchen wären hier die Funktionärsschulungen in der CDU-Parteischule von Burgscheidungen und die genaen Beziehungen der Kreissekretäre zu Stasi und SED. Die CDU-Berichte blieben jedenfall keineswegs rein partei-intern. Das SED-ZK konnte z.B. im Einzelfall CDU Berichte anfordern.

 

Wohl nicht nur ein Bezirksvorsitzender der CDU telefonierte wöchentlich mit der Stasi. Nach neuesten Erkenntnissen der Gauckbehörde der 90er Jahre zeigten schon, dass zahlreiche CDU-Mitglieder wenig Widerstand gegenüber einer Zusammenarbeit mit dem MFS zeigten. 14-tägig saßen die CDU-Kreissekretäre mit denen der anderen Blockparteien und natürlich der SED zur "roten Sprechstunde" zusammen und tauschten mündliche Berichte aus. Kontaktpersonen im Staatsapparat waren für sie die stellvertretenden Ratsvorsitzenden für Inneres.

 

Vor diesem Hintergrund muß man einen Bericht eines Berliner Kreisvorsitzenden in Berlin Treptow 1977 interpretieren, der empört seinen übergeordneten Parteiinstanzen über Dichterlesungen von Jurek Becker und Stefan Heym in Bohnsdorfer Kirchenräumen berichtete. Da diese Veranstaltungen "keine reine Treptower Angelegenheit" mehr seien, müsse "auch an anderen Stellen und nicht nur in unserer Partei, notwendige Schlußfolgerungen" daraus gezogen werden." Von diesem Ruf nach dem Staats- und Parteieingriff will der ehemalige Kreissekretär heute nichts mehr wissen. Demgegenüber kann sich der Pfarrer, der in dem CDU-Bericht erwähnt ist, daran erinnern, daß er damals wegen der Denunziation aus CDU-Kreisen Schwierigkeiten bis hin zum ZK der SED hatte und daß man den Versuch machte, ihn per Einberufung zur NVA aus dem Verkehr zu ziehen.

Angesichts solche Befunde, die freilich vertieft werden müßten, stellt sich noch einmal die Frage, ob die CDU-West sich zu unbedacht mit der CDU-Ost vereinigt hat. Ob die Entscheidung der CDU Spitze, um des Machtgewinnes bei den Volkskammer und Bundestagswahlen von 199/90, die politische Moral hinten anstehen zu lassen, nicht bis heute ihren Preis fordert. Ob der Erneuerungsprozeß der ostdeutschen Landesverbände der CDU weit genug gegangen ist. Ob die Forderung, die noch in den 90er Jahren gelegentlich artikuliert wurden, generell keine Funktionäre von damals heute in Funktion kommen zu lassen wirklich „gnadenlos“ und absurd war. Manche ehemaligen Kreisfunktionäre sind in den Parteiapparat übernommen worden, manche haben in der Partei Karriere gemacht. Die oft gehörte Versicherung "Ich war nur im Kreisvorstand, Ortsgruppenvorsitzender, oder im Rat des Kreises" wirkt vor dem Hintergrund der internen CDU-Papiere keineswegs wie eine Generalabsolution. Eine wirklich systemkritische Haltung wie in Berlin-Lichtenberg war vor dem Herbst 89 nur eine Ausnahme. Dort fragte man sich ob "die CDU die SED links überholen" wolle.

 



Christian Booß

Tel.:030/8520830
Funk: 0171-5311140
c.Booss@web.de


 


Kundschafter an der geistlichen Front? Die Rolle der CDU-Ost gegenüber den Kirchen.
Neue Zeit 1993

 


"Festzustellen ist die Tatsache, daß zunehmend die Erlöserkirche zum Zentrum des Jugendarbeit unterschiedlichster Friedensgruppen der Kirche genutzt wird,(um) ein in der DDR bekanntes Informations- und Versammlungszentrum aufzubauen."


Dieser Bericht aus dem Sommer 1983 ist weder ein internes Protokoll eines Ostberliner Gemeindenrates, noch der Spitzelbericht eines Zuträgers des MFS über oppositionelle Kirchenkreise. Es ist ein Schriftsatz des CDU-Kreissekretärs aus Berlin-Friedrichshain. Er ist war bestimmt für die DDR-Parteizentrale in Berlin. Stimmungs- und Lageberichte von der Basis zu fertigen, gehörte zu den ureigensten Aufgaben einer Partei in der DDR.

 

Fragwürdigerweise tauchen in diesem Bericht sogar 2 Namen auf: die der oppositionellen Pfarrer Rainer Eppelmann und Dietmar Linke. Zweifelsohne wurden diese Berichte keineswegs mit der Absicht verfaßt, systemferne Kirchenkreise gegenüber der damaligen systemnahen CDU-Parteispitze um Gerald Götting in Schutz zu nehmen. Denn es folgt die Klage "daß unsere Partei sich nicht offensiv mit der Entwicklung der Friedens- und Jugendarbeit der Kirchen auseinandersetzt."


Polemiker haben es immer schon gewußt, die CDU-Ost war nichts anderes als die SED, Abteilung Kirche. Andere Analytiker wollten der CDU zumindest in der Endphase der DDR zubilligen, sie versuche, die Zielgruppe Christen als "eigenständige Kraft vorzustellen, die ihre Freiräume nutzt".

Eine Durchsicht von Parteiakten der unteren Parteiinstanzen läßt Zweifel zu, ob es diese Tendenz zur Liberalisierung der DDR-CDU gab, die quasi naturwüchsig in die "Partei der Einheit" mündete.

Die Funktion der DDR-CDU war, nachdem sie in den 50er Jahren durch Druck des SMAD, Verhaftungen von Funktionären, Parteisäuberungen und Auswechselungen der Parteispitze in die Blockpolitik eingebunden war, bestimmte Bevölkerungskreise zu binden und zu beeinflussen, die die SED selber nicht erreichen konnte oder wollte: Mittelschichten, bestimmte Teile der Intelligenz, vor allem aber kirchliche Kreise.

 

In Gruppen- oder gar in Einzelgesprächen wurden diese Schichten von CDU-Funktionären, aber auch einfachen Mitgliedern regelrecht ausgespäht. Seit Ende der 50er- regelmäßig offenbar nach dem Mauerbau- werden in den CDU-Kreisen "Informationsberichte" für die Bezirksebene und den Parteivorstand in Berlin verfaßt. Unter Nennung von Namen, oft sogar der Adresse, wird Ende der fünfziger Jahren nach Berlin gemeldet, welcher Handwerker, was über Regierungsentscheidungen denkt.

Dies sind keine fauxpas Einzelner aus stalinistischen Zeiten. Die Berichte gingen bis zum Ende der DDR weiterhin monatlich an die Bezirksebene, vierteljährlich an die Berliner Zentrale. In späteren Jahren werden die Berichte über die Stimmung intellektueller und mittelständischer Kreise nur etwas abstrakter, eben Stimmungsberichte im eigentlichen Sinne. Dennoch werden personenbezogene Meinungsäußerungen werden weiter kolportiert, v.a. über CDU-Mitglieder ("Unionsfreunde") selbst, was zweifelsohne der systemkonformen parteiinternen Kaderplanung dienlich sein sollte. Durchgängig im Visier der CDU-Kreise blieben die Geistlichen und das bei voller Identifizierbarkeit..

Noch 1987 heißt es unter Namensnennung z.B. in einem Kreisbericht, daß 3 "Pastoren ihre Bereitschaft zur Mitarbeit" in der Arbeitsgruppe Christliche Kreise erklärt hätten. Dagegen wird bedauert, daß von dem Kirchenkonvent Neubuckow kein Pastor zur Mitarbeit bereit sei. Da die AG "Christliche Kreise" als eine Einrichtung der nationalen Front und somit des Blocksysstems unter Führung der SED für kirchliche Kreise war, konnte aus solcher Kreisinformation abgelesen werden, welcher Pfarrer zur Zusammenarbeit, zumindest zum geistigen Austausch mit Vertretern des DDR-Systems bereit war- und damit welche nicht. Deutlich wird auch, dass es die örtliche CDU als ihre Aufgabe ansah, die Pfarrer auf die Seite von Staat und Partei zu ziehen. Unterzeichnet ist dieser Bericht von einem prominenten ehrenamtlichen Kreisvorsitzenden, Dr.G. Krause, dem späteren Mitarchitekten des Einigungsvertrages und gestrauchelten Bundesverkehrsminister.

Vor allem vor Wahlen und Volksabstimmungen verdichteten sich die Angaben:

"Es gibt eine Information, daß der Sohn von Pfarrer (folgt der Name) aus Friedrichshain nicht zur Wahl gehen will. Er ist Oberschüler und sagt, er mache es wie sein Vater:" (Berlin,1963) "Wir gehen davon aus, daß es möglich ist, eine Einheitsfront gegen unsere Volkswahlen zu zerschlagen. Dazu sind zahlreiche Einzelgespräche mit Pfarrern nötig, insbesondere mit den schwankenden."(dito)

Gleichsam als Erfolgsmeldung wird aus vielen Kreisen und Bezirksverbänden -teilweise in Listenform-nach oben gemeldet, wie viele Pfarrer nun tatsächlich falten gingen und welche "nicht gewählt haben".

Als Zuträger fungierten v.a. die hauptamtlichen Sekretäre der CDU, aber auch die nicht hauptamtlichen Vorstände an der Basis: "Im Vorfeld der Kommunalwahlen nahmen nahezu alle Ortsgruppenvorstände und der Kreisvorstand aktiven Einfluß auf die differenzierte politische Arbeit in christlichen Kreisen." (Wolgast 1984)

Sicher spiegeln sich die quasi "goldenen 70er Jahre der DDR" , als sich viele DDR-Bürger im Zeichen der Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik in ihrer DDR-Nische einrichteten auch in einer relativen Entpolitisierung der CDU-Informationsberichte. Die Beiträge des Unionsfreundes X zum Neuererwesen, Berichte über erfolgreiche Handarbeitskreise, Überlegungen für einen CDU- nahen Motorsportclub zeugen von dieser Scheinidylle.

 

Doch es wäre falsch anzunehmen, dass ich nach dem Spitzentreffen Honeckers mit der evangelischen Kirchenführung am 6.3.1978- zweilfelsohne eines der wichtigsten Daten in der Beziehung Staat-Kirche- hätte sich das Verhältnis SED-Kirche grundsätzlich entkrampft. In diesem Fall hätte auch die CDU eine andere Rolle spielen können. Möglicherweise hätte sie sei dann wirklich einer "Volkspartei" näher gekommen als jede andere Blockpartei (Lapp 1988). Aber die Wirklichkeit ist eine andere.

Es gibt zwar durchausHinweise auf lebhaft kontroverse Diskussionen in einzelnen Ortsgruppe an der Parteibasis. Doch der Parteiapparat auch auf der untersten Ebene griff, wenn es darauf ankam auf die alten Auskunfts- und Beeinflussungstechniken zurück.

Als die kirchliche Friedensbewegung den Staat herausforderte, werden die Berichte wieder präziser, fast wie Protokolle. "Unter der Leitung von Pfarrer Eppelmann" gäbe es, Überlegungen zu einem Fahrradkorso. Also eine Friedensdemonstration, die es nach Lesart der SED zu verhindern galt. (CDU-Friedrichshain 1983) Oder weiter: Die Predigt von Bischof Gottfried Forck reihte sich "leider in die Pazifismusbewegung von Teilen der ev. Kirche ein." (CDU-Berlin-Mitte); die kirchlichen Aktivitäten im Kreis halten sich "an die festgelegten Normen der Staats- und Rechtsordnung", " bis auf eine Ausnahme von Pfr. (folgt Klarname) in Forst-Noßdorf. (CDU-Forst 1984) Der letzte Bericht war mitgerzeichnet u.a. vom Kreisvorsitzenden Dr. Pohl. 1989 wurde er Wirtschaftsminister unter Lothar De Maiziere und war der zuständige Minister für die Wirtschafts-und Währungsunion)

 

Das Ordnungsdenken vieler CDU-Funktionäre auf den unteren Rängen paßte sich offenbar gut in das Herrschaftsgefüge des SED-Staates ein. Zu untersuchen wären hier die Funktionärsschulungen in der CDU-Parteischule von Burgscheidungen und die genaen Beziehungen der Kreissekretäre zu Stasi und SED. Die CDU-Berichte blieben jedenfall keineswegs rein partei-intern. Das SED-ZK konnte z.B. im Einzelfall CDU Berichte anfordern.

 

Wohl nicht nur ein Bezirksvorsitzender der CDU telefonierte wöchentlich mit der Stasi. Nach neuesten Erkenntnissen der Gauckbehörde der 90er Jahre zeigten schon, dass zahlreiche CDU-Mitglieder wenig Widerstand gegenüber einer Zusammenarbeit mit dem MFS zeigten. 14-tägig saßen die CDU-Kreissekretäre mit denen der anderen Blockparteien und natürlich der SED zur "roten Sprechstunde" zusammen und tauschten mündliche Berichte aus. Kontaktpersonen im Staatsapparat waren für sie die stellvertretenden Ratsvorsitzenden für Inneres.

 

Vor diesem Hintergrund muß man einen Bericht eines Berliner Kreisvorsitzenden in Berlin Treptow 1977 interpretieren, der empört seinen übergeordneten Parteiinstanzen über Dichterlesungen von Jurek Becker und Stefan Heym in Bohnsdorfer Kirchenräumen berichtete. Da diese Veranstaltungen "keine reine Treptower Angelegenheit" mehr seien, müsse "auch an anderen Stellen und nicht nur in unserer Partei, notwendige Schlußfolgerungen" daraus gezogen werden." Von diesem Ruf nach dem Staats- und Parteieingriff will der ehemalige Kreissekretär heute nichts mehr wissen. Demgegenüber kann sich der Pfarrer, der in dem CDU-Bericht erwähnt ist, daran erinnern, daß er damals wegen der Denunziation aus CDU-Kreisen Schwierigkeiten bis hin zum ZK der SED hatte und daß man den Versuch machte, ihn per Einberufung zur NVA aus dem Verkehr zu ziehen.

Angesichts solche Befunde, die freilich vertieft werden müßten, stellt sich noch einmal die Frage, ob die CDU-West sich zu unbedacht mit der CDU-Ost vereinigt hat. Ob die Entscheidung der CDU Spitze, um des Machtgewinnes bei den Volkskammer und Bundestagswahlen von 199/90, die politische Moral hinten anstehen zu lassen, nicht bis heute ihren Preis fordert. Ob der Erneuerungsprozeß der ostdeutschen Landesverbände der CDU weit genug gegangen ist. Ob die Forderung, die noch in den 90er Jahren gelegentlich artikuliert wurden, generell keine Funktionäre von damals heute in Funktion kommen zu lassen wirklich „gnadenlos“ und absurd war. Manche ehemaligen Kreisfunktionäre sind in den Parteiapparat übernommen worden, manche haben in der Partei Karriere gemacht. Die oft gehörte Versicherung "Ich war nur im Kreisvorstand, Ortsgruppenvorsitzender, oder im Rat des Kreises" wirkt vor dem Hintergrund der internen CDU-Papiere keineswegs wie eine Generalabsolution. Eine wirklich systemkritische Haltung wie in Berlin-Lichtenberg war vor dem Herbst 89 nur eine Ausnahme. Dort fragte man sich ob "die CDU die SED links überholen" wolle.

 



Christian Booß

Tel.:030/8520830
Funk: 0171-5311140
c.Booss@web.de


 


Kundschafter an der geistlichen Front? Die Rolle der CDU-Ost gegenüber den Kirchen.
Neue Zeit 1993

 


"Festzustellen ist die Tatsache, daß zunehmend die Erlöserkirche zum Zentrum des Jugendarbeit unterschiedlichster Friedensgruppen der Kirche genutzt wird,(um) ein in der DDR bekanntes Informations- und Versammlungszentrum aufzubauen."


Dieser Bericht aus dem Sommer 1983 ist weder ein internes Protokoll eines Ostberliner Gemeindenrates, noch der Spitzelbericht eines Zuträgers des MFS über oppositionelle Kirchenkreise. Es ist ein Schriftsatz des CDU-Kreissekretärs aus Berlin-Friedrichshain. Er ist war bestimmt für die DDR-Parteizentrale in Berlin. Stimmungs- und Lageberichte von der Basis zu fertigen, gehörte zu den ureigensten Aufgaben einer Partei in der DDR.

 

Fragwürdigerweise tauchen in diesem Bericht sogar 2 Namen auf: die der oppositionellen Pfarrer Rainer Eppelmann und Dietmar Linke. Zweifelsohne wurden diese Berichte keineswegs mit der Absicht verfaßt, systemferne Kirchenkreise gegenüber der damaligen systemnahen CDU-Parteispitze um Gerald Götting in Schutz zu nehmen. Denn es folgt die Klage "daß unsere Partei sich nicht offensiv mit der Entwicklung der Friedens- und Jugendarbeit der Kirchen auseinandersetzt."


Polemiker haben es immer schon gewußt, die CDU-Ost war nichts anderes als die SED, Abteilung Kirche. Andere Analytiker wollten der CDU zumindest in der Endphase der DDR zubilligen, sie versuche, die Zielgruppe Christen als "eigenständige Kraft vorzustellen, die ihre Freiräume nutzt".

Eine Durchsicht von Parteiakten der unteren Parteiinstanzen läßt Zweifel zu, ob es diese Tendenz zur Liberalisierung der DDR-CDU gab, die quasi naturwüchsig in die "Partei der Einheit" mündete.

Die Funktion der DDR-CDU war, nachdem sie in den 50er Jahren durch Druck des SMAD, Verhaftungen von Funktionären, Parteisäuberungen und Auswechselungen der Parteispitze in die Blockpolitik eingebunden war, bestimmte Bevölkerungskreise zu binden und zu beeinflussen, die die SED selber nicht erreichen konnte oder wollte: Mittelschichten, bestimmte Teile der Intelligenz, vor allem aber kirchliche Kreise.

 

In Gruppen- oder gar in Einzelgesprächen wurden diese Schichten von CDU-Funktionären, aber auch einfachen Mitgliedern regelrecht ausgespäht. Seit Ende der 50er- regelmäßig offenbar nach dem Mauerbau- werden in den CDU-Kreisen "Informationsberichte" für die Bezirksebene und den Parteivorstand in Berlin verfaßt. Unter Nennung von Namen, oft sogar der Adresse, wird Ende der fünfziger Jahren nach Berlin gemeldet, welcher Handwerker, was über Regierungsentscheidungen denkt.

Dies sind keine fauxpas Einzelner aus stalinistischen Zeiten. Die Berichte gingen bis zum Ende der DDR weiterhin monatlich an die Bezirksebene, vierteljährlich an die Berliner Zentrale. In späteren Jahren werden die Berichte über die Stimmung intellektueller und mittelständischer Kreise nur etwas abstrakter, eben Stimmungsberichte im eigentlichen Sinne. Dennoch werden personenbezogene Meinungsäußerungen werden weiter kolportiert, v.a. über CDU-Mitglieder ("Unionsfreunde") selbst, was zweifelsohne der systemkonformen parteiinternen Kaderplanung dienlich sein sollte. Durchgängig im Visier der CDU-Kreise blieben die Geistlichen und das bei voller Identifizierbarkeit..

Noch 1987 heißt es unter Namensnennung z.B. in einem Kreisbericht, daß 3 "Pastoren ihre Bereitschaft zur Mitarbeit" in der Arbeitsgruppe Christliche Kreise erklärt hätten. Dagegen wird bedauert, daß von dem Kirchenkonvent Neubuckow kein Pastor zur Mitarbeit bereit sei. Da die AG "Christliche Kreise" als eine Einrichtung der nationalen Front und somit des Blocksysstems unter Führung der SED für kirchliche Kreise war, konnte aus solcher Kreisinformation abgelesen werden, welcher Pfarrer zur Zusammenarbeit, zumindest zum geistigen Austausch mit Vertretern des DDR-Systems bereit war- und damit welche nicht. Deutlich wird auch, dass es die örtliche CDU als ihre Aufgabe ansah, die Pfarrer auf die Seite von Staat und Partei zu ziehen. Unterzeichnet ist dieser Bericht von einem prominenten ehrenamtlichen Kreisvorsitzenden, Dr.G. Krause, dem späteren Mitarchitekten des Einigungsvertrages und gestrauchelten Bundesverkehrsminister.

Vor allem vor Wahlen und Volksabstimmungen verdichteten sich die Angaben:

"Es gibt eine Information, daß der Sohn von Pfarrer (folgt der Name) aus Friedrichshain nicht zur Wahl gehen will. Er ist Oberschüler und sagt, er mache es wie sein Vater:" (Berlin,1963) "Wir gehen davon aus, daß es möglich ist, eine Einheitsfront gegen unsere Volkswahlen zu zerschlagen. Dazu sind zahlreiche Einzelgespräche mit Pfarrern nötig, insbesondere mit den schwankenden."(dito)

Gleichsam als Erfolgsmeldung wird aus vielen Kreisen und Bezirksverbänden -teilweise in Listenform-nach oben gemeldet, wie viele Pfarrer nun tatsächlich falten gingen und welche "nicht gewählt haben".

Als Zuträger fungierten v.a. die hauptamtlichen Sekretäre der CDU, aber auch die nicht hauptamtlichen Vorstände an der Basis: "Im Vorfeld der Kommunalwahlen nahmen nahezu alle Ortsgruppenvorstände und der Kreisvorstand aktiven Einfluß auf die differenzierte politische Arbeit in christlichen Kreisen." (Wolgast 1984)

Sicher spiegeln sich die quasi "goldenen 70er Jahre der DDR" , als sich viele DDR-Bürger im Zeichen der Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik in ihrer DDR-Nische einrichteten auch in einer relativen Entpolitisierung der CDU-Informationsberichte. Die Beiträge des Unionsfreundes X zum Neuererwesen, Berichte über erfolgreiche Handarbeitskreise, Überlegungen für einen CDU- nahen Motorsportclub zeugen von dieser Scheinidylle.

 

Doch es wäre falsch anzunehmen, dass ich nach dem Spitzentreffen Honeckers mit der evangelischen Kirchenführung am 6.3.1978- zweilfelsohne eines der wichtigsten Daten in der Beziehung Staat-Kirche- hätte sich das Verhältnis SED-Kirche grundsätzlich entkrampft. In diesem Fall hätte auch die CDU eine andere Rolle spielen können. Möglicherweise hätte sie sei dann wirklich einer "Volkspartei" näher gekommen als jede andere Blockpartei (Lapp 1988). Aber die Wirklichkeit ist eine andere.

Es gibt zwar durchausHinweise auf lebhaft kontroverse Diskussionen in einzelnen Ortsgruppe an der Parteibasis. Doch der Parteiapparat auch auf der untersten Ebene griff, wenn es darauf ankam auf die alten Auskunfts- und Beeinflussungstechniken zurück.

Als die kirchliche Friedensbewegung den Staat herausforderte, werden die Berichte wieder präziser, fast wie Protokolle. "Unter der Leitung von Pfarrer Eppelmann" gäbe es, Überlegungen zu einem Fahrradkorso. Also eine Friedensdemonstration, die es nach Lesart der SED zu verhindern galt. (CDU-Friedrichshain 1983) Oder weiter: Die Predigt von Bischof Gottfried Forck reihte sich "leider in die Pazifismusbewegung von Teilen der ev. Kirche ein." (CDU-Berlin-Mitte); die kirchlichen Aktivitäten im Kreis halten sich "an die festgelegten Normen der Staats- und Rechtsordnung", " bis auf eine Ausnahme von Pfr. (folgt Klarname) in Forst-Noßdorf. (CDU-Forst 1984) Der letzte Bericht war mitgerzeichnet u.a. vom Kreisvorsitzenden Dr. Pohl. 1989 wurde er Wirtschaftsminister unter Lothar De Maiziere und war der zuständige Minister für die Wirtschafts-und Währungsunion)

 

Das Ordnungsdenken vieler CDU-Funktionäre auf den unteren Rängen paßte sich offenbar gut in das Herrschaftsgefüge des SED-Staates ein. Zu untersuchen wären hier die Funktionärsschulungen in der CDU-Parteischule von Burgscheidungen und die genaen Beziehungen der Kreissekretäre zu Stasi und SED. Die CDU-Berichte blieben jedenfall keineswegs rein partei-intern. Das SED-ZK konnte z.B. im Einzelfall CDU Berichte anfordern.

 

Wohl nicht nur ein Bezirksvorsitzender der CDU telefonierte wöchentlich mit der Stasi. Nach neuesten Erkenntnissen der Gauckbehörde der 90er Jahre zeigten schon, dass zahlreiche CDU-Mitglieder wenig Widerstand gegenüber einer Zusammenarbeit mit dem MFS zeigten. 14-tägig saßen die CDU-Kreissekretäre mit denen der anderen Blockparteien und natürlich der SED zur "roten Sprechstunde" zusammen und tauschten mündliche Berichte aus. Kontaktpersonen im Staatsapparat waren für sie die stellvertretenden Ratsvorsitzenden für Inneres.

 

Vor diesem Hintergrund muß man einen Bericht eines Berliner Kreisvorsitzenden in Berlin Treptow 1977 interpretieren, der empört seinen übergeordneten Parteiinstanzen über Dichterlesungen von Jurek Becker und Stefan Heym in Bohnsdorfer Kirchenräumen berichtete. Da diese Veranstaltungen "keine reine Treptower Angelegenheit" mehr seien, müsse "auch an anderen Stellen und nicht nur in unserer Partei, notwendige Schlußfolgerungen" daraus gezogen werden." Von diesem Ruf nach dem Staats- und Parteieingriff will der ehemalige Kreissekretär heute nichts mehr wissen. Demgegenüber kann sich der Pfarrer, der in dem CDU-Bericht erwähnt ist, daran erinnern, daß er damals wegen der Denunziation aus CDU-Kreisen Schwierigkeiten bis hin zum ZK der SED hatte und daß man den Versuch machte, ihn per Einberufung zur NVA aus dem Verkehr zu ziehen.

Angesichts solche Befunde, die freilich vertieft werden müßten, stellt sich noch einmal die Frage, ob die CDU-West sich zu unbedacht mit der CDU-Ost vereinigt hat. Ob die Entscheidung der CDU Spitze, um des Machtgewinnes bei den Volkskammer und Bundestagswahlen von 199/90, die politische Moral hinten anstehen zu lassen, nicht bis heute ihren Preis fordert. Ob der Erneuerungsprozeß der ostdeutschen Landesverbände der CDU weit genug gegangen ist. Ob die Forderung, die noch in den 90er Jahren gelegentlich artikuliert wurden, generell keine Funktionäre von damals heute in Funktion kommen zu lassen wirklich „gnadenlos“ und absurd war. Manche ehemaligen Kreisfunktionäre sind in den Parteiapparat übernommen worden, manche haben in der Partei Karriere gemacht. Die oft gehörte Versicherung "Ich war nur im Kreisvorstand, Ortsgruppenvorsitzender, oder im Rat des Kreises" wirkt vor dem Hintergrund der internen CDU-Papiere keineswegs wie eine Generalabsolution. Eine wirklich systemkritische Haltung wie in Berlin-Lichtenberg war vor dem Herbst 89 nur eine Ausnahme. Dort fragte man sich ob "die CDU die SED links überholen" wolle.

 




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